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Legale und illegale Grenzübertritte in Falkensee und Umgebung

Wie bereits oben geschrieben, gab es die Möglichkeit des legalen Grenzübertrittes per Ausreiseantrag. Allerdings wurde dieser nur in den wenigsten Fällen genehmigt, weshalb einige einen anderen, gefährlicheren Weg wählten: die Flucht.

Zu Fragen rund um seine eigene Flucht am 10. Januar 1989 führten wir am 17.12.2024 ein Interview mit dem in Falkensee lebenden Zeitzeugen Herrn Matthias Jaensch in den Räumlichkeiten des hiesigen Museums „Museum und Galerie Falkensee“.

Legale Grenzübertritte

Als 1961 die Mauer über Nacht gebaut war, wurde es unmöglich, die Grenze der DDR zu überwinden. Erstmals bot das sogenannte Passierscheinabkommen zwischen dem Senat von Berlin und der Regierung in Ost-Berlin im Dezember 1963 eine Möglichkeit der Überschreitung dieser Grenze an. In den darauffolgenden Jahren bis 1966 wurden noch drei weitere Abkommen ausgehandelt. [1]  

Ab 1964 hatten Rentner einen einfachen Weg in die BRD. Sie durften auf Antrag vier Wochen in die BRD reisen. 

Doch trotz des Abkommens war es immer noch schwierig, in den Westen zu reisen oder gar dorthin zu ziehen: Um einen Passierschein zu bekommen, musste man Papiere abgeben, die alle wichtigen Informationen über sich sowie den Grund für den temporären Aufenthalt enthielten. Dieser Antrag musste dann von der Volkspolizei Berlin angenommen werden, konnte jedoch auch jederzeit abgelehnt werden.  Unser Zeitzeuge Dr. Zytariuk, der zu Beginn der 80er Jahre die DDR auf illegalem Wege verließ, erklärte, dass es kein Klagerecht gegen eine staatliche Entscheidung gab. Bei der Polizei sollte man vor allem bei einem Abschnittsbevollmächtigtem, einem Polizisten, der ab und zu vorbeischaute, wenn man einen Antrag zum Aufenthalt in der BRD gestellt hatte, gut ankommen. [2] Der kapitalistische Traum und der von Freiheit war immer viele Schritte entfernt, somit auch die Freiheit, überall hin zu reisen. 

 

Einen Reisepass besaß man als DDR-Bürger_in nicht, außer man durfte ins „kapitalistische Ausland“ reisen. Ohne einen Reisepass waren Privatreisen so gut wie unmöglich, egal ob es nun inner- oder außerhalb der Warschauer-Pakt-Staaten war. Generell konnten Familien in der DDR nur innerhalb des Landes reisen. Um eine Reise in das Ausland zu unternehmen, reiste man entweder mit einer Reisegruppe oder man durchlief einen langen Prozess von Beschattung, Abhörung und extremer Postkontrolle. Im Rahmen des Interviews, das wir mit Herrn Dr. Zytariuk führten, erzählte er von seiner Frau, die eine Schwester in Großbritannien besuchen wollte. Immer wieder kam ein Abschnittsbevollmächtigter an ihrem Wohnort vorbei und kontrollierte die Wohnsituation, u.a. berichtete er dann – wie später der Stasi-Akte zu entnehmen war – über die Reinlichkeit des Grundstücks und Gartens. Auch wenn sie am Ende einen kurzen Ausflug nach Großbritannien machen durfte, hätte nur ein falscher Schritt ihrerseits diesen verhindert. 

 

In den letzten Jahren der DDR öffnete sich mit der Handhabung der Reisegenehmigung in dringenden Familienangelegenheiten für einen bestimmten Personenkreis ein Spalt in der Grenze. Mit der Verordnung konnte man nun Anträge für Besuche stellen, ohne Rentner zu sein. Nach Frau Kubicki, einer Photographin aus Falkensee, mit der wir ein Zeitzeugengespräch führten, waren die erlaubten Gründe für westliche Privatreisen nun verschiedenste Familienfeiern von Verwandten ersten und zweiten Grades. [1] Tausende von DDR-Bürgern stellten daraufhin Anträge, egal ob es für eine Taufe, eine Diamantenhochzeit oder ein Jubiläum war. Dennoch war es lediglich ein kleiner Schritt im Vergleich mit dem Reisen in der BRD.  

Wohin man auch wollte zu reisen, ohne die Genehmigung des Staates zu brauchen, war etwas, wonach sich so gut wie jeder im Osten sehnte. 

 

Mehr als 40 Jahre sehnten sich Menschen im Osten, wie Herr Dr. Zytariuk und Herr Jaensch, ein weiterer Zeitzeuge, mit dem wir über seine missglückte Flucht sprachen, nach der Freiheit des Westens, der Freiheit des Reisens; nach der Vorstellung, reisen zu können, wenn man nur wollte, Freunde und Familie zu besuchen, wann immer man wollte.  

Flucht war oft nur die letzte Wahl, wenn die Geduld aufgebraucht war und die Frustration sich immer mehr aufstaute. Bis 1989 war der Weg zur Freizügigkeit lang und schwer; was heute als selbstverständlich gilt, war damals wie ein unerreichbarer Traum.  

Der Fall der Mauer war ein Zeichen der Hoffnung, die Mauer, die die großen Reisen aufgehalten hatte, war gebrochen. Der Traum zu reisen wurde Realität. 

Illegale Grenzübertritte

Strafen

Wenn eine Flucht von der STASI oder dem Grenzschutz vereitelt wurde und die „Republikflüchtigen“ gefasst wurden, wurden diese verurteilt. Das geschah ab 1968 nach §213 des Strafgesetzbuchs, welcher einen „ungesetzlichen Grenzübertritt“ unter Strafe stellte.

Mit der Neufassung vom Juni 1979 kam der Absatz 3 hinzu und eine „Republikflucht“ konnte in „schweren Fällen“ mit bis zu acht Jahren bestraft werden[3].

„(…) wer durch falsche Angaben für sich oder einen anderen eine Genehmigung zum Betreten oder Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik erschleicht oder ohne staatliche Genehmigung das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik verlässt oder in dieses nicht zurückkehrt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe, Geldstrafe oder öffentlichen Tadel bestraft.“

Bei meinem Gespräch mit Herrn Jaensch habe ich außerdem erfahren, dass oft auch zusätzliche Strafen auferlegt wurden. In seinem Fall wegen „bandenmäßig organisierten Verbrechens“, da er mit zwei Komplizen unterwegs war, und „Benutzung einer Waffe“, da er außerdem einen Bolzenschneider dabeihatte.

Gründe

Um die Fluchtversuche zu verstehen, muss man verstehen, weshalb die entsprechenden Personen den Versuch unternahmen. Die Gründe dafür sind vielfältig und hängen oft mit dem politischen und wirtschaftlichen System der DDR zusammen. Viele Menschen stießen deshalb an Grenzen bei der Gestaltung ihres Lebens, sei es beim Zugang zu Musik, Kultur und Literatur oder bei der Verfügbarkeit von Konsumgütern. Auch waren viele in der Berufs- und Ausbildungswahl eingeschränkt sowie in der Ausübung ihrer Religion und in der Auswahl ihrer Reiseziele. Manche wurden sogar politisch verfolgt. Das löste in einigen Fällen den Wunsch aus, die DDR zu verlassen, um im Westen ein neues, besseres Leben zu führen.[4]

Fluchtversuche in Falkensee und Umgebung

Leider existieren keine genauen Angaben über die Anzahl und den Verlauf der Fluchtversuche in Falkensee und Umgebung. Trotzdem fanden wir vier Fluchtversuche, die eine Verbindung nach Falkensee habe und die wir miteinander vergleichen möchten. 

Willie Block

Willie Block unternahm seinen Fluchtversuch am 7.2.1966 um ca. 15:45. Er versuchte die Grenze direkt und im Alleingang zu überwinden, wurde jedoch von den Grenzsoldaten erschossen, da er deren Aufforderung zurückzukommen nicht nachkam. Bei späteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass dies überhaupt nicht möglich war, da er im Stacheldraht festhing.[5] [6]

Dieter Wohlfahrt

Er wurde am 9.11.1961 erschossen, als er mit einigen Mitstudenten eine Frau in den Westen schmuggeln wollte. Damit ist er der erste „Mauertote“. Zu diesem Zeitpunkt war er erst 20 Jahre alt und Student an der Technischen Universität Berlin. Er starb in einem Krankenhaus in Falkensee.[6]

Harry Dieterling

Der Fluchtversuch von Harry Dieterling war besonders spektakulär. Er war Zugführer und durchbrach am 5.11.1961 mit seinem Zug mit 80km/h die Absperrung bei der Endstation Albrechtshof und erreichte so mitsamt dem Zug den Westen. Von den 32 Personen im Zug waren 24 eingeweiht.[6]

Mathias Jaensch

Mit Herrn Jaensch führten wir ein Interview, u.a. über seine Flucht in den Westen. Er unternahm mehrere zunächst scheiternde Fluchten mit zwei Freunden zusammen: Der erste Versuch wurde von Hunden vereitelt, die die Flüchtenden witterten und anschlugen. Der zweite Versuch misslang aus technischen Gründen: das für die Flucht vorgesehene Auto versagte seinen Dienst. Erst der dritte Versuch verlief nach Plan: Sie fuhren mit dem Auto so dicht an die Mauer wie möglich und räumten mit Leitern, Bolzen- und Seitenschneidern alle Hindernisse aus dem Weg.

Anschließend kletterten sie mit einer Leiter über die Mauer, doch Herr Jaensch vergaß, die Leiter mit über die Mauer zu ziehen. So konnten die Grenzsoldaten sie über die Mauer verfolgen und festnehmen. Alle drei wurden von DDR-Gerichten verurteilt und inhaftiert. Herr Jaensch wurde anschließend von der BRD freigekauft, ein vieltausendfach praktizierter „Umweg“ in die Freiheit.

Hier geht es zu den Quellen, die wir in diesem Projekt verwendet haben.

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